Am 26.03.2012 kehrte Michael Mross nach drei Monaten Aufenthalt und „einfachem Leben“ in Sri Lanka nach Deutschland zurück. Auf seinem Zwischenstopp hatte ich die Freude, ihn zu einem Gespräch in der Frankfurter Börse zu treffen, um etwas über seine Erfahrungen der vergangenen Monate und seine persönliche Entwicklung in den letzten Jahren zu erfahren. Er spricht über neue Prioritäten, die Rückbesinnung auf das Wesentliche, Naturverbundenheit und das große Glück, den gegenwärtigen Augenblick wahrnehmen und genießen zu können. Vielen Dank an Michael für das angenehme und interessante Gespräch.
Auf die aktuelle Frage, was der Börsenexperte zur weiteren Aufstockung des ESM zu sagen hat, platzt es schon aus ihm heraus: „vollkommener Wahnsinn, alles Irrsinn, mir fehlen die Worte“, überhaupt die Bezeichnung „Rettungspaket“ sei ein Witz, über den man mit einer gewissen Distanz kräftig lachen könne. Natürlich ist dies Galgenhumor und damit definitiv gesünder, als sich gemeinsam ständig über diesen Irrsinn aufzuregen, da sind wir uns schnell einig. Andererseits auch darin, dass die Allgemeinheit angesichts der Megasummen bereits abgestumpft ist und selbst die Summe von einer Billion Euro (1.000.000.000.000,- €) die Menschen inzwischen weitgehend kalt lässt.
„Demokratie – was ist das? Die Demokratie ist schon längst abgeschafft! Wir leben in einer Diktatur des Kapitals und der Junta aus Brüssel. Im Bundestag sitzen die Marionetten und müssen das Volk beruhigen. Die können ja nicht sofort sagen: Wir nehmen Euch Euer Erspartes weg, sondern es kommt in kleinen Portionen, angefangen mit 10-20 Mrd. für Griechenland. Die Untertanen haben zu springen und am Ende ihre gesamten Ersparnisse abzuliefern.“ Das ist seine Antwort auf die Frage, ob es noch als demokratisch zu bezeichnen ist, wenn es nach der Bundesregierung zur Abgabe der Budgethoheit des Bundestags an Brüssel, nicht einmal mehr der Zustimmung einer 2/3 Mehrheit des Parlaments bedarf.
Andererseits beschreibt Michael Mross das aktuelle System als ein schönes Spiel, von dem wir (Anm.: zumindest in der sogenannten „westlichen und zivilisierten Welt“) alle profitieren, solange es funktioniert. Doch ein Spiel muss immer irgendwann vorbei sein und hier sieht er ein sehr bitteres Ende kommen.
Im Weiteren wollten wir uns nicht mehr mit den offensichtlichen Problemen, sondern mit Lösungen und Alternativen beschäftigen. Hierbei lehnt Michael Mross das Wort „Krisenvorsorge“ inzwischen eher ab, da es so einen negativen und problembezogenen Eindruck vermittelt.
„Das Ziel ist doch, ein lustvolles, schönes, erfülltes und gegenwartsbezogenes Leben zu leben. Um sich hierauf zu konzentrieren, ist jedoch zunächst erst mal die Einsicht notwendig, dass wir alle Getriebene des Systems sind.“ Der Börsenexperte mahnt, sich ernsthaft folgende Fragen zu stellen: Für was leben wir? Was bedeutet eigentlich Fortschritt? Ist es wirkliches Glück, mit Geld materielle Dinge kaufen zu können? Gleichzeitig weist er, nicht ohne Stolz, darauf hin, keine Armbanduhr mehr zu tragen, quasi als kleines Zeichen der Befreiung aus dem völligen Getriebenendasein.
Er selbst probiert von den Menschen in Asien und deren Lebensweise zu lernen, die kein oder kaum Geld besitzen. Beispielshaft nennt er einen indischen Steinmetz, der seinen Beobachtungen zufolge augenscheinlich im Moment seiner Handlung vollkommene Befriedigung hieraus zieht, also unbekümmert das Hier und Jetzt lebt. Ohne sich Gedanken über die Zukunft oder Vergangenheit zu machen, so zumindest die Interpretation. Und genau das haben wir, laut Michael Mroos, in der westlichen Welt verlernt.
„Es geht darum, dass man das Leben im Augenblick genießt und optimistisch in die Zukunft blickt. Denn auch wenn das Geldsystem zusammenbricht, geht die Welt nicht unter. Wir sind vom kapitalistischen Lametta so eingelullt, dass unser ganzes Leben und Streben ausschließlich dazu dient, mehr Geld für weiteren Konsum zu generieren. Doch genau den Trugschluss und die Illusion, dass Glück unweigerlich von Geld abhängig ist, gilt es zu erkennen.“
Dies erfordert eine Entwicklung, die jeder für sich selbst machen muss, sagt er. Beispielsweise das Schätzenlernen der so wunderschönen, vielfältigen kostenlosen Freuden im Leben, wie das stundenlange Betrachten des Himmels und des Universums, gehören für ihn dazu. Dies alles gilt es neu zu entdecken und zu erleben. Oft bedarf es hierzu einiger Veränderung des eigenen Lebens, die damit beginnt, neue Prioritäten zu setzen und alte (Fehl)vorstellungen und Ziele über Bord zu werfen. Nur dann kann man dem teuflischen Mechanismus der Dressur zum immer schnelleren Rennen im Hamsterrad entkommen. Denn das Hinarbeiten auf ein künftiges Versprechen beschreibt gleichzeitig die Funktionsweise unseres Geldsystems.
Michael Mross beschreibt die Gegenwart und die Freude an ihr als das höchste Gut des Menschen. Und zieht daraus den Schluss, dass wir im dauerhaften Zwischenstadium zwischen Vergangenheit und Zukunft überhaupt NICHT LEBEN, da wir so den Moment der Gegenwart verloren haben.
Einen derartigen Bewusstseinswandel könne aber nicht durch eine Art Umerziehung stattfinden oder erzwungen werden, sondern man könne den Leuten nur Impulse geben. Der Funke der Erleuchtung müsse bei den Menschen selbst stattfinden, so wie bei ihm. „Wenn Du dieses Interview vor vier Jahren mit mir geführt hättest, hätte ich gesagt, Du bist vollkommen wahnsinnig, es ist doch alles in Ordnung!“
Für diese Veränderung ist für den Börsenexperten auch eine Rückbesinnung auf die Natur und das eigene lustvolle physische Erleben der Mitwelt hilfreich. Erst durch das bewusste eigene Erfahren der kostenlosen Freuden des Lebens, wie einfachen Spaziergängen in der Natur oder den bewussten Genuss eines Sonnenuntergangs, wächst die entsprechende Wertschätzung hierfür.
Dies kann man, seiner Ansicht nach, leichter in sogenannten „ärmeren“ Ländern, die aus dieser Warte heraus betrachtet, eigentlich sehr viel reicher sind. Reicher an Zeit, um einfach zu sein und den Kindern beim Aufwachsen zuzusehen. Dies alles sehen diese Menschen aus ihrer Position höchstwahrscheinlich ganz anders.
Denn im Gegensatz zu Michael sehe ich den Fluch des Menschen nicht im selbst geschaffenen goldenen Käfig mit integriertem Hamsterrad, sondern darin, dass der Mensch ständig im Außen lebt, sich vergleicht und selten mit dem zufrieden ist, was er hat oder ist. Das ist der Grund, warum niemand einfach zur offenen Käfigtür heraus marschiert – schließlich tun dies die anderen ja auch nicht.
Zuletzt resümiert Michael Mross, dass diese Rückbesinnung nicht radikal stattzufinden braucht und man mit Kleinigkeiten anfangen sollte. Wichtig ist ihm die Betonung, hierin keine Krisenvorsorge, sondern einen Neubeginn, ein Aufwachen für uns alle zu sehen. Und zu erkennen, dass der befürchtete Lustverlust nur Einbildung ist, da uns diese Scheinwelt suggeriert, dass Glück und Geld unzertrennlich miteinander verbunden sind.
„DIESER NEUANFANG IST DER BEGINN DES LEBENS AN SICH.“
Persönlich bin ich an vielen Stellen mit Michael einig, jedoch sollte man nie vergessen, aus welch elitärem Blickwinkel wir die momentane Situation betrachten. Nur aufgrund des absoluten Übermaßes, mit dem wir in den hiesigen Hemisphären existieren, können wir uns derartige Gedanken überhaupt leisten. Menschen, die wirklich existenzielle Probleme haben, denken sicher anders über den Sinn des Lebens, Glück oder den relativen Wert von Lebenszeit. Und viele dieser existenziellen Nöte sind wiederum durch unser aktuelles Geldsystem und Wirtschaften bedingt.
Julia Jentsch
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